Trump’s Wundermittel

Nur zwei Tage musste Donald Trump wegen seiner Covid-19 Erkrankung im Krankenhaus verbringen. Nun sitzt er wieder im Weißen Haus. Ist, nach Aussage seines Arztes, beschwerdefrei. Seine schnelle Genesung schreibt Trump einer experimentellen Antikörperbehandlung zu. Was wissen wir über diesen Therapieansatz?

  1. Das Medikament, ein Antikörpermix namens REGN-COV2, besteht aus zwei synthetischen menschlichen Antikörpern (REGN10933 und REGN10987). Diese binden auf der Oberfläche des Corona-Virus befindliche Spike Proteine. Spike Proteine nutzen Viren um sich an Zellen zu heften, in diese einzudringen und sich in den Zellen zu vermehren. Sind besagte Spike Proteine nun aber durch Antikörper gebunden oder besetzt, wird diese Virus-Zell-Interaktion blockiert. Der Virus kann nicht länger in Zellen eindringen und sie infizieren. Die Ausbreitung und Vermehrung des Virus wird gestoppt. Neutralisierende Antikörper markieren das Virus zusätzlich für den Abbau durch Immunzellen wie Makrophagen. Die Verwendung von zwei Antikörpern, die unterschiedliche Teile des Spike Proteins binden, verringert die Wahrscheinlichkeit, dass Mutation in den Spike Proteinen die Antikörper funktionslos machen und der Virus resistent wird.
  1. Regeneron ist nicht die einzige Pharmafirma, die eine solche Behandlung entwickelt – Eli Lilly zum Beispiel arbeitet auch an einem Antikörpermix. Beide Unternehmen haben ihren Antikörpercocktails bereits in doppel-blinden Placebo-kontrollierten klinischen Studien an Patienten getestet. Ende September beziehungsweise anfang Oktober wurden die ersten Ergebnisse vorgestellt. In beiden Studien wurde der Cocktail (oder das Placebo) Patienten gegeben bei den (zumindest bisher) kein Krankenhausaufenthalt nötig war. Sie befanden sich also entweder in einem frühen Stadium der Infektion oder hatten milde Verläufe. Der Erhalt der Antikörper, verglichen mit Erhalt des Placebos, verringerte nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines Krankenhausaufenthalts, sondern auch die Viruslast. Zudem verkürzte sich die Krankheitszeit, was ein gutes Zeichen für eine Behandlung ist. Bisher sind diese Daten aber nur in Pressemitteilungen veröffentlicht und nicht, peer-reviewed, in Fachzeitschriften.
  1. Trump erhielt nur eine Spritze. Und das sehr früh – bereits 1-2 Tage nachdem er positiv auf Corona getestet wurde. Der Zeitpunkt scheint dabei entscheidend zu sein. Regeneron sagt in einem Statement, dass die Behandlung die besten Ergebnisse in Patienten erzielt bevor diese eine eigene Immunantwort entwickeln. Der Cocktail kann “ein therapeutischer Ersatz für die natürlich vorkommende Immunantwort darstellen”. Mit Immunantwort ist in diesem Fall speziell die adaptive Immunantwort gemeint. Die “erlernte” Immunität benötigt etwa eine Woche um sich zu etablieren und Patienten tragen danach in der Regel Corona-spezifische Antikörper in sich. Regeneron stellte nun aber fest, dass gerade Menschen, denen SARS-CoV-2-Antikörper im Blut fehlten, die Behandlung mehr nutzte. In dieser Patientengruppe sah man den größten Unterschied in Viruslast und Krankheitsdauer, wenn man Placebo und Antikörpergabe verglich. Die Antikörperocktails sind also besonders hilfreich bei Menschen, die das Mittel frühzeitig erhalten – wie bei Trump – oder bei Menschen, die aus irgendeinem Grund keine effiziente adaptive Immunantwort etablieren können und daher Hilfe beim Vernichten des Viruses benötigen.
  1. Die Behandlung ist (noch) nicht von der FDA oder einer anderen Aufsichtsbehörde zugelassen. Weniger als 300 Personen haben den Antikörpercocktail bisher erhalten – weniger als 10 außerhalb der klinischen Studie. Ohne Zulassung können experimentelle Medikamente nur in besonderen Fällen angewendet werden: wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind und der Patient ohne das experimentelle Medikament wahrscheinlich stirbt. Dieser Prozess wird als Compassionate Use – Anwendung aus Mitgefühl bezeichnet. Obwohl Trump nicht im Sterben lag, haben seine Ärzte um das Mittel gebeten und es – mit FDA Erlaubnis- auch bekommen. Natürlich war dies ein Privileg weil er Präsident ist. Trotzdem macht es Sinn: der mögliche Nutzen überwiegt das geringe Risiko. Soviel ist aus den Studien klar. Dennoch muss jeder, der kein Präsident ist, auf die offizielle Zulassung warten. Es gibt einfach nicht genug Antikörper, um allen, die positiv testen und milde Symptome zeigen eine Anwendung aus Mitgefühl zu erlauben.
  1. Regeneron hat mittlerweile eine Genehmigung im Notfallverfahren beantragt. Wenn dies gewährt wird, haben sie eine Vereinbarung mit der US-Regierung getroffen, die den USA die ersten 300.000 Dosen des Cocktails sichert. Die Regierung ist dann für die Verteilung verantwortlich. Derzeit sind 50.000 Dosen verfügbar. Regeneron hat eine Zusammenarbeit mit Roche angekündigt, um die Produktion zu steigern und weltweite Auslieferung zu ermöglichen. Ein Zeitplan, wann wie viele Dosen verfügbar sein werden, ist ungewiss, da die Herstellung monoklonaler Antikörper teuer und zeitaufwändig ist.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Trump neben den Antikörpern auch ein antivirale Mittel namens Remdesivir und das Steroid Dexamethason erhalten hat. Es wurde gezeigt, dass Dexamethason die Mortalität in stationär aufgenommenen Covid-19 Patient senken kann indem es die überschüssige Immunantwort in schwerkranken Patienten eindämmt. Für milde Verläufe wird das Mittel allerdings – wegen seiner schwerwiegenden Nebenwirkungen – nicht empfohlen. Remdesivir wurde im Kampf gegen Ebola entwickelt und hindert die Vermehrung von Viren in Zellen. Die FDA hat Remdesivir für Covid-19-Patienten im Notfallverfahren zugelassen ist. 

Beide Medikamente werden Einfluss auf Trumps Genesung genommen haben. Des Weiteren kann niemand sagen wie sich Trumps Krankheit ohne die drei Mittel entwickelt hätte. Die Behauptung die Antikörpertherapie habe ihn gerettet hat ist daher übertrieben. Wie so viele seiner Aussagen. Der Cocktail mag geholfen haben, aber nur eine vollständige Bewertung der abgeschlossenen doppel-blinden Placebo-kontrollierten klinischen Studie wird uns das Potenzial dieses Medikaments zeigen. Ein einzelner Fall wird es nicht. Insbesondere nicht, wenn der Patient Hintergedanken hat. Trump ist nicht nur mit dem CEO des Unternehmens – dessen Aktien massiv gestiegen sind – befreundet, sondern sieht hier auch einen Vorteil in der anstehenden Wahl. Er stellt sich als erfolgreichen Präsidenten dar, der Covid-19 ganz leicht weggesteckt hat und dabei eine neues “Wundermittel” persönlich gefunden und getestet hat. Nun verspricht er dieses unzureichend getestete Mittel allen. Kostenlos. 

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